Runder Tisch:
Den Anfang machte der Runde Tisch Weintourismus, an dem Akteure aus verschiedenen Bereichen sitzen.
Qualitätssiegel:
Mit Weinsüden-Siegeln werden hochwertige Angebote ausgezeichnet, die für Gäste gut erlebbar sind. Sie inspirieren andere Betriebe und regen Qualitätssteigerungen an.
Blaupause:
Der Weinsüden lieferte das Modell für die Produktmarkenbeiräte und deren Schaufenster- produkte.
Lange Zeit fuhren die Ausflügler sonntags am Kraichgau vorbei und in Richtung Pfalz. Das stellte Ulrich Klumpp vom Weingut Klumpp in Bruchsal zu seinem Bedauern fest. Dem wollte er etwas entgegensetzen. Gemeinsam mit seiner Frau und den beiden Söhnen beschloss er, den Betrieb auszubauen, um ihre Weine mit entsprechender Architektur in Szene zu setzen und für Besucherinnen und Weinliebhaber attraktiver zu werden. „Die Zeiten von dunklen, mit Plastiktrauben dekorierten Probierstuben sind einfach vorbei“, sagt Ulrich Klumpp.
Im Inneren seiner neuen, hellen Vinothek mit ihren Sichtbetonwänden dominieren natürliche Materialien. Die Klumpps empfangen ihre Gäste dort mit einem mächtigen Eichentisch, Holzstühlen in verschiedenen Rotwein-Tönen und einem geschwungenen Regal, in dem sich ihre Flaschen reihen. Vom „Wohnzimmer des Kraichgaus“ spricht Christina Lennhof, Geschäftsführerin von Kraichgau-Stromberg Tourismus. Die TMBW hat der Vinothek 2019 zusammen mit der Architektenkammer Baden-Württemberg die Auszeichnung „Weinsüden Architektur“ verliehen.
Es ist eines von mittlerweile fünf Weinsüden-Qualitätssiegeln, die es außerdem für Hotels, Vinotheken, Orte und Winzerinnen und Winzer gibt. Der Startschuss fiel 2014 mit dem Runden Tisch Weintourismus, an dem unter anderem Vertreterinnen und Vertreter aus den Weinbauverbänden, Ministerien, Regionen, vom Dehoga und von den Weinstraßen sowie Jungwinzerinnen und Weinerlebnisführer sitzen.
„Das Potenzial war da“, sagt TMBW-Marketingleiterin Eleonora Steenken, „zwei große Weinanbaugebiete hat nicht jeder, das ist ein Pfund, mit dem wir wuchern wollten.“ Das Beratungsunternehmen „Tourismus Plan B“ begleitete einen Strategieworkshop und die Entwicklung des ersten Weintourismuskonzepts. „Es ging von Anfang an darum, die Angebote sichtbar zu machen – und zwar verbunden mit Qualitätskriterien“, erklärt Steenken.
Das Gütesiegel war schnell gefragt. „Bei den ‚Weinsüden Weinorten‘ und ‚Weinsüden Winzern‘ hat sogar ein richtiger Run eingesetzt“, freut sich TMBW-Chef Andreas Braun. Die mediale Aufmerksamkeit, die Weinsüden-Website der TMBW und viele weitere Maßnahmen sorgten dafür, das Land als interessantes Ziel bei Weinfans zu positionieren. Mit Erfolg: Die vom Beratungsunternehmen Inspektour verfasste Studie „Destination Brand 22“ zeigt, dass die Hälfte der deutschlandweit Befragten Baden-Württemberg mit „erlebbarer Weinkultur“ verbinden. Kein anderes Urlaubsthema bekam mehr Zustimmung. Bei Menschen, denen Weinkultur wichtig ist, verbanden sogar 60 Prozent Baden-Württemberg damit. „Diesen Erfolg schreiben wir natürlich nicht nur uns, sondern vielen Akteuren zu“, sagt Marketingchefin Steenken, „aber wir haben unseren Teil beigetragen und über Jahre ein breites Fundament geschaffen.“
Auch Ulrich Klumpp in Bruchsal hat festgestellt, dass die Investitionen ins Gebäude und das Gütesiegel „Weinsüden Architektur“ Wirkung zeigten: Im ersten Jahr nach der Auszeichnung tauchte immer mal wieder neue Kundschaft bei Klumpps auf. Darüber hinaus schauten auch andere Winzer und Winzerinnen vorbei, um das Bauwerk zu begutachten. Die Siegel haben also nicht nur einen Effekt auf Gäste: „Wenn einer ‚Weinsüden Winzer‘ ist, sind die Nachbarn hoch motiviert, mit ihm gleichzuziehen“, sagt Christina Lennhof von Kraichgau-Stromberg Tourismus. Dabei bringen die Weinsüden-Siegel die Qualität auf vielfältige Weise voran. „Wenn ein Ort seine Weinangebote nicht auf der Homepage hat, muss er sie auf Vordermann bringen und sichtbar machen“, erklärt sie als Beispiel für eine der vielen Stellschrauben, an denen für das Qualitätssiegel gedreht werde.
Der erfolgreiche Weg beim Weinsüden lieferte letztlich auch die Blaupause für die insgesamt elf Produktmarkenbeiräte, die es bei der TMBW inzwischen gibt – und für deren Schaufensterprodukte. „Es kommen auch andere Branchen zu uns und sagen, dass sie so was wie den Weinsüden wollen“, erklärt Eleonora Steenken. Allerdings bedarf es hierfür mehr als nur des Wunsches nach mehr Aufmerksamkeit. Beim Wein kamen ihrer Ansicht nach besonders viele Erfolgsfaktoren zusammen: „Es bestanden bereits Netzwerke, auf denen man aufbauen konnte, die Motivation aller Beteiligten und das Potenzial waren groß und die Partner bereit, die Konkurrenz beiseitezuschieben und sich gemeinsam zu vermarkten.“
2024 wird das Weintourismuskonzept fortgeschrieben. „Ziel ist es aber nicht, die Zahl der Siegel erheblich zu steigern, sondern es geht uns um Qualitätssicherung und um die Vernetzung der Akteure“, sagt Svenja Hertweck, Themenmanagerin Genuss und Wein bei der TMBW. Ein Beispiel ist der Weintourismuspreis 2022: Dafür sollten sich ausdrücklich Kooperationen bewerben. Der „Weinsüden Kunstweg“ in Sasbachwalden gehörte zu den Gewinnern. An seiner Entwicklung beteiligt waren neben Kunstschaffenden auch Mitarbeitende der Gemeinde sowie der Winzergenossenschaft Alde Gott. „Während wir den Weg erarbeitet haben, wurden wir als ‚Weinsüden Weinort‘ ausgezeichnet. Deshalb haben wir den Weinsüden auch in den Namen unseres Wegs aufgenommen“, sagt Carina Klumpp, Leiterin der Touristinformation Sasbachwalden.
2024 feiert Sasbachwalden zum ersten Mal ein „Weinsüden Pop-up“-Event im Weinberg – auch das ein Projekt, das zur Vernetzung beiträgt, denn mindestens zwei Jungwinzer oder -winzerinnen müssen es gemeinsam organisieren. Mit diesen lockeren Veranstaltungen, die mitten in den Weinbergen stattfinden, hat die TMBW eine jüngere Zielgruppe im Blick, so Svenja Hertweck. Die Winzer organisieren das Event, die TMBW kümmert sich um die Vermarktung, stellt Liegestühle, Lampions, Beach Flags und anderes Material zur Verfügung. Ein Format, das immer stärker gefragt ist: „Wir sind 2019 mit vier Events gestartet und für 2024 sind aktuell 16 geplant“, berichtet Hertweck.
Auch Familie Klumpp in Bruchsal will künftig zu Afterwork-Partys und anderen Veranstaltungen einladen. Sie hat beim Weingut auch noch einen Weinpark geschaffen, mit dem sie sich 2024 erneut um das Siegel „Weinsüden Architektur“ bewirbt. Im Park mit Blick in die Rheinebene können es sich Gäste auch mit einem Picknickkorb und einer Flasche Wein gemütlich machen. „Das Geld sitzt heute nicht mehr so locker“, sagt Ulrich Klumpp, „wir müssen uns für die Zukunft aufstellen.“ Eine Ansicht, die TMBW-Chef Andreas Braun teilt: „Es ist kein Geheimnis, dass es der Weinwirtschaft derzeit nicht bestens geht. Deshalb appellieren wir an alle Betriebe, die Chance des Weintourismus zu erkennen und sich damit ein zusätzliches wirtschaftliches Standbein aufzubauen.“ Vorbilder und Qualitätskriterien dafür liefert ihnen der Weinsüden ja zuhauf.
Eine Übersicht aller ausgezeichneten Betriebe und die Kriterien, die den fünf verschiedenen Weinsüden-Gütesiegeln zugrunde liegen, findet man auf einer eigenen Landingpage der TMBW.